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Mainwanderfahrt - von Weinfranken nach Churfranken

Es ist also doch noch Sommer geworden in 2011: Temperaturen um 30 Grad Celsius, Sonnenschein und eine ziemliche Schwüle machten die knapp 100 Kilometer lange Mainwanderfahrt von Karlburg nach Miltenberg zu einem schweißtreibenden und doch wunderschönen Erlebnis.

Organisiert hatten die Fahrt Hannoveraner Ruderer von Niedersachsens erstem schwul-lesbischen Sportverein, dem SLS Leinebagger Hannover e.V. und dem Hannoverschen Ruder-Club von 1880 e.V. Als Berliner Ruderer war ich mit meinen Partner Javier willkommener Gast genauso wie drei Kölner, die ebenfalls mit von der Partie waren.

Erster Programmpunkt war ein fränkischer Biergarten. Für mich Gelegenheit schon einmal ein paar Namen zu lernen. Danach ging es auf verschlungenen Pfaden durch die Würzburger Altstadt, fachkundig erläutert von Gottfried. Noch beeindruckender als den Schrein mit den Gebeinen St. Kilians fanden einige allerdings den ebenfalls in der Kiliansgruft befindlichen Brunnen. Großes Gekreisch beim Blick durch die Glasscheibe: „Iih, da sind ja Flecken drauf!“ Im Franziskanerkloster benahmen wir uns dann aber wie die Musterknaben. Sonst hätten wir auch ins Beichtzimmer gemusst und das wollte dann doch keiner.

Stattdessen landeten wir zur Vesper wieder im Biergarten „Würzburger Hofbräukeller“ und hernach auf ein letztes Bier in Würzburgs einzig schwuler Kneipe - mit einer Musiktruhe wie damals bei Wanda in der kleinen Philharmonie. Einzigerdem Unterschied: Wanda ließ für die Musik Geld einwerfen und hat dafür die Gläser nie voll gemacht, aber das war in Berlin. In Würzburg führt ein netter älterer Herr größeren Umfangs das Lokal. Torsten erzählte er, dass er mal in Köln lebte, aber mit der rheinischen Oberflächlichkeit nichts anzufangen wusste und deshalb bald wieder an den Main zurückkehrte. Fränkisch essen macht eben glücklich(er).

Nach einer Nacht in der zu Fuße der Festung Marienberg situierten Jugendherberge verließen wir Würzburg nach einem Frühstück mit roter und gelber Marmelade in Richtung Karlburg, Stromkilometer 218. Dort wurde uns die Barke „Churfranken“ übergeben. Platz für 10 Ruderer, dazwischen ein passabler Laufsteg und für den Steuermann eine Parkbank. Javier, Michael und Klaus nahmen in Kajaks Platz und genossen den Blick in die Landschaft, ich den auf zehn kräftige Wirbel im Wasser.

Die Muschelkalkbänke des Maintals und die Weinberge erinnerten mich an alte Studienzeiten (Südwestdeutsches Schichtstufenland, Sonderkulturen), die Essensvorräte unter dem Laufsteg an einen geplünderten ALDI. Schämt Euch, Hannoveraner! Keine echten Bahlsenkekse an Bord.

Schon zwei Kilometer hinter Karlburg folgte die erste Schleuse. Wir durften erst in die Kammer nachdem „Aquaplan“ mit Bergen von Blähton (oder war es Schlacke?) an Bord passiert hatte. Dieses Procedere wiederholte sich fortan an jeder Schleuse. Zeit für einen Schluck aus der Wasserflasche. Dann ging es „ohne Kraft, nur Arme“ in die Schleusenkammer und vier Meter neunzig in die Tiefe.

An Gemünden vorbei ging es dann weiter bis zur Staustufe Rothenfels, wo wir unsere Barke festmachten und von den Kanuten, die uns auf dem Wasser nur bis Gemünden begleiteten, mit den Autos abgeholt wurden. Übernachtet wurde im Kanuverein in Gemünden. Hier zeigte sich, dass perfekte Wanderfahrtorganisation eine saubere Sache ist: Sogar eine Rolle 50-Cent-Stücke für die Dusche war im Gepäck. Christian warf den nagelneuen Grill an und Torsten schrubbte die Bänke für einen gemütlichen Abend bei Wein, Wein und Gesang. Genächtigt wurde im Clubraum, dem Zelt oder auf dem Balkon mit Blick auf Bundesstraße und -Bahn. Doch hat der findige Ruderer stets Ohropax im Gepäck, nicht wahr Jan-Peter?

Der nächste Morgen begann mit einem wunderbaren Frühstück und einer anschließend Talschleusung. Das viele gurgelnde Wasser regte an, genau wie  der morgendliche Kaffee. Es folgten wunderschöne 35 Kilometer Mainschleifen durch den Spessart bis zum Schutzhafen Hasloch. Buntsandstein allerorten. Spessart-Räuber gibt es keine mehr, dafür jedoch tückische Untiefen (ohne singende Blondine). Vor irgendeiner Schleuse überholte uns das Frachtschiff „Kevin“, mit dem wir gemeinsam geschleust werden sollten. Wir legten uns also in die Riemen, doch vergebens. Christophs Frage „Siehst du den Arsch von Kevin noch?“ musste ich lachend verneinen.

Übernachtet wurde im Ruderclub Wertheim, gespeist auf der Burggastätte. Noch höher kommt man in Wertheim übrigens nur hinaus, wenn man gegenüber in einer hoch über dem Main gelegenen Großwohnsiedlung der siebziger Jahre lebt. Fasolt & Fafner lassen grüßen.

Die letzte Etappe von Hasloch bis Miltenberg war schließlich nur noch ein Klacks. Läppische 25 Kilometer. In ganz Süddeutschland schien die Sonne. Wer bis dahin nicht schon Sonnenbrand hatte, zog das T-Shirt aus. Gottfrieds Anblick erinnerte mich irgendwie an Schweinerotlauf und Zinksalbe. Pause unterm Eichenbaum in Dorfprozelten. Ein kleiner Hafen mit Sandstrand. Ein Imbiss mit Latte Macchiato und Eiscreme. Herrlich! Weiter ging es an Freudenberg vorbei, ein Dorf mit Burg und Stadtmauer, vielleicht ein wenig zu perfekt restauriert. Aber man ist ja schließlich in Baden-Württemberg, gell? Nach Miltenberg war es von dort nicht mehr weit.

In Miltenberg, unserem „port of disembarkation“, erwartete uns bereits der Vorsitzende des dortigen Ruder-Clubs, Herr Büttner. Grundgereinigt wurde nicht nur die Barke, sondern auch einige Mitruderer, mancher eher unfreiwillig. Die Temperaturen ließen uns im Nu wieder trocknen. Nachtlager fanden sich in der Bootshalle, auf der Terrasse oder auf der Wiese im Zelt. Das Gasthaus zum Riesen, Deutschlands ältestes übrigens, servierte deftige Kost und kühles Bier.

Am nächsten Morgen hieß es zum letzten Mal gemeinsam frühstücken, nicht ohne noch ein letztes Glas Sekt zu trinken. Na gut, zwei. Herr Büttner erzählte unterdessen von Miltenberg und dem Ruder-Club, von Bierfranken, Weinfranken, Mainfranken und Churfranken. Was an Leinebagger-Ruderern so besonders ist, hatte er immer noch nicht so recht verstanden, glaube ich. Jedenfalls waren wir ihm sehr sympathisch - und das ist auch gut so, findet der einzige Queerschläger im Boot.

Aufgezeichnet von Andreas, Berlin.

P.S.: Jederzeit gerne wieder!

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